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„Stefanie, 48, spät erblindet, arbeitet im öffentlichen Dienst und hat einen Blindenhund. Sie reist gerne, nimmt aber am liebsten bekannte Wege, weil diese mit weniger Stress für sie und ihren Hund verbunden sind.“ – so sah eine Person aus, die im Rahmen eines Workshops zur Routenplanung für Sehbehinderte und Blinde entworfen wurde. Spannende Stunden, die konstruktiv und ergebnisorientiert waren. Ein Erfahrungsbericht.

Detaillierte Personenbeschreibungen und ihre Anforderungen

Von außen betrachtet war es eine alltägliche Videokonferenz am späten Nachmittag. Der Inhalt und die Struktur des Online-Treffens hatten jedoch einen besonderen Hintergrund. Organisiert von unserer Projektverantwortlichen für das Smart City Projekt „Lotsensystem für Sehbehinderte und Blinde“ – Justine Dambacher – teilten Blinde ihre Expertise. Die Teilnehmenden hatten dabei ganz verschiedene Hintergründe: Teilweise sind sie in Vereinen für Blinde und Sehbehinderte tätig, aber auch in Verbünden. Ein Sehender war auch dabei, um seine Expertise im Bereich Nahverkehr zu teilen. Im Mittelpunkt standen dabei Anforderungen, die ein System mit sich bringen muss, um als blinde Person sicher von A nach B zu  kommen. Klar, viele Blinde nutzen bereits technische Tools, dabei sind viele Systeme noch nicht ausgefeilt. Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Betroffenen im Alter erblindet und sich häufig nicht an digitale Hilfsmittel heran traut.

Als Mittel der Zusammenarbeit stand die Persona-Methode im Zentrum.  Hier geht es darum, fiktive Persönlichkeiten zu entwickeln und sie mit so vielen Merkmalen und Eigenschaften auszustatten wie möglich. Der Clou: Die Personen stehen für eine bestimmte Zielgruppe und helfen dabei, die Entwicklung eines Projektes in ihrem Sinne zu gestalten.

 

Wie reist man eigentlich blindengerecht?

Reisen während der Hauptverkehrszeit? Treppenstufen vor der Eingangstür? Mit Führhund auf einer Rolltreppe? All diese Dinge erschweren oder verhindern einer blinden Person das Vorankommen. Genau diese Hürden müssen aber sichtbar werden, um ein nützliches und sinnvolles Lotsensystem auf die Beine zu stellen. Die bereits vorhandenen Persona-Daten für Mobilitätsplattformen repräsentieren dabei nur einen Anteil von 0,3 Prozent der Zielgruppe. Etwas Repräsentatives musste also her. Insgesamt fünf Personen wurden innerhalb des Workshops „erschaffen“. Deren Charaktereigenschaften  zeigen klar unterschiedliche Anforderungen und Bedürfnisse auf. Ein Beispiel: Ältere Personen möchten oder können nicht mehr so viele Treppen laufen. Jüngere legen viel Wert auf Selbstständigkeit und wollen nur wenig auf die Hilfe anderer angewiesen sein.

 

Was bleibt im Nachgang?

Ich stelle mich hier mal vor, um meine persönlichen Eindrücke zu schildern: Im herzlich digitalen Team bin ich für die Öffentlichkeitsarbeit und das Modellprojekt Smart City verantwortlich. Unterstützend durfte ich beim Workshop dabei sein und möchte die Erfahrungen, die ich mitnehmen konnte in diesem Blogeintrag teilen

Meine persönlichen Eindrücke

Ich ging nicht nur mit einem neuen Bewusstsein für mein eigenes Sehvermögen aus dem Workshop heraus, sondern konnte auch viele neue Aspekte kennenlernen, die vorher nicht fassbar für mich waren. Der Hauptgrund dafür liegt wohl darin, dass ich mir in meiner Lebensrealität keine Gedanken über bestimmte Gegebenheiten machen muss. Angefangen von technischen Tools, wie dem DAISY Player bis hin zur Bewältigung alltäglicher Situationen hatte ich mehrere Aha-Momente. Auch die Ideen der Teilnehmenden waren innovativ und spannend.  Ein Vorschlag bestand zum Beispiel darin, anstatt Informationen zu einem Restaurant auf einer Route vorzulesen, einfach Musik abzuspielen. Beispielsweise griechische Musik für ein entsprechendes Lokal usw. Außerdem sollte auch die Indoor-Navigation mit gedacht werden. Das betrifft nicht nur Gebäude sondern auch Bahnhöfe, U-Bahn Stationen oder Unterführungen. Insgesamt ein wirklich spannender Workshop, der das Projekt, aber auch mich persönlich inspirieren konnte. 😉

Computer_Braille

Kleines Glossar

Braillezeile

Die Braillezeile (wird kurz auch Brailledisplay  oder kurz „Zeile“ genannt) ist ein Computer-Ausgabegerät für blinde Menschen, das Zeichen in Punktschrift (Braille) darstellt. Üblicherweise werden sie durch Screenreader (Bildschirm-Leseprogramme) bedient, die den Bildschirm auslesen und in Braille darstellen. Das ermöglicht Blinden große Teile der Standardsoftware zu benutzen und selbständig den Computer zu bedienen. (Quelle: Wikipedia)

DAISY-Player

DAISY ist der Name eines weltweiten Standards für navigierbare, zugängliche Multimedia-Dokumente. Die Abkürzung DAISY steht für Digital Accessible Information System. Mit einem Daisy Player können Blinde oder Sehbehinderte Hörbücher, Audio oder MP3-CDs abspielen. Im Daisy-Format gibt es neben Hörbücher auch Sachbücher, Handbücher und Zeitungen, die man so akustisch durchstöbern kann. Die Bedienung ist einfach und übersichtlich.  Man kann einfach von Kapitel zu Kapitel oder zum nächsten oder vorigen Hauptkapitel springen.

Weitere Links

Kontakt

Ihr habt Interesse am Projekt oder könnt Expertise beitragen? Dann meldet euch bei Justine Dambacher unter lotse@kaiserslautern.de

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