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Digitale Tools sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Auch im Breitensport finden sie Eingang. Welchen Einfluss sie haben, soll das Projekt „Trainieren mit digitaler Unterstützung“ beleuchten.

Kurz vor Anpfiff: Den B-Juniorinnen des 1. Frauen Fußball Clubs Kaiserslautern (1. FFCK) steht die Fokussierung auf die kommenden 80 Minuten ins Gesicht geschrieben. Es ist bewölkt, kühl. Anfang März ringen Winter und Frühling noch täglich um die Vorherrschaft, ähnlich wie die jungen Sportlerinnen um jeden Sieg im Endspurt vor dem Saisonfinale. Trainerin Leonie Fischer gibt letzte Anweisungen und heizt ihre Spielerinnen noch einmal an, bevor es gegen die Gäste aus Saarbrücken aufs Feld geht.

Auf dem Weg zum Rasen läuft die Mannschaft an einem kleinen schwarzen Koffer vorbei und die Spielerinnen bekommen dort je einen kleinen GPS-Tracker ausgehändigt. Routiniert bringt jede von ihnen die schmalen, an Garagentoröffner erinnernde Geräte an einem elastischen Gürtel unter dem Trikot an. Die Sportlerinnen gehen auf Position. Als der Schiedsrichter mit einem grellen Pfiff das Spiel startet, fließen bereits die ersten Daten.

Ziel des Projekts

In der Saison 2022/2023 waren GPS-Tracker bei Ligaspielen der B-Juniorinnen im Einsatz. Die technische Ausstattung des Vereins fand im Rahmen des vom rheinland-pfälzischen Ministerium des Innern und für Sport geförderten Konzepts „Trainieren mit digitaler Unterstützung“ statt, das unter dem Projekt „Dialog Zivilgesellschaft“ läuft und von der Stabsstelle Digitalisierung der Stadtverwaltung Kaiserslautern verantwortet wird.

„Mit diesem Projekt wollen wir nicht nur digitale Tools im sportlichen Umfeld von jungen Menschen zum Einsatz bringen, sondern auch herausfinden, welchen Einfluss die gezielte Erhebung von Daten auf sie hat und wie sie damit umgehen“, erklärt Lennart Grabe, Mitarbeiter im Projekt „Dialog Zivilgesellschaft“.

“Laufende” Daten

Zurück aufs Spielfeld. Der 1. FFCK gibt gleich zu Beginn das Tempo vor. Schnelles Passspiel und explosive Sprints bringen eine frühe Führung. Die druckvolle Defensive sichert den Lautrerinnen wertvolle Ballgewinne, mit denen sie eine scheinbar nicht müde werdende Angriffswelle nach der anderen durchführen. 2:0, 3:0 – die hohe Laufleistung zahlt sich aus. Jeder zurückgelegte Meter wird von den Trackern aufgezeichnet, auch die Beschleunigung der Spielerinnen bleibt den Sensoren nicht verborgen. Wertvolle Daten, die ein gezieltes und effizientes Training ermöglichen.

„Ich glaube, dass der Mehrwert der Tracker ‚neben dem Platz‘ zu finden war“, sagt Leonie Fischer, Trainerin der B-Juniorinnen des 1. FFCK. „Einerseits dienten die Tracker dazu, die Spielerinnen positiv auf die Spiele einzustimmen und andererseits glaube ich schon, dass die Eine oder die Andere einen Sprint mehr angezogen oder 100 Meter mehr gelaufen ist, um die eigene Statistik zu verbessern.“

Alle aus den Spielen gewonnen Daten wurden nach jedem Einsatz einzeln ausgelesen und ausgewertet. Jede Spielerin bekam im Anschluss die eigenen Daten persönlich zugeschickt und konnte beispielsweise die während des Spiels gelaufene Strecke oder auch die Geschwindigkeit der Sprints einsehen.

Es steckt jede Menge Technologie in den Trackern. Eine Reihe an Sensoren sowie Multikonstellations-GPS werden zur Positions¬bestimmung, Laufrichtung und Bestimmung der Raumlage verwendet. So lassen sich Distanzen und Geschwindigkeitszonen berücksichtigen, Laufintensitäten, Belastung oder auch die Feldaufteilung. Sowohl Spielerinnen und Spieler können ihr Trainings- oder Spielverhalten für sich genau bestimmen und die Trainer für das Coaching, die Analyse und Strategie.

Einfluss der Datenerhebung

Wie erleben aber die Spielerinnen das Tracking? Was macht die Datenerhebung mit ihnen? „Der Einsatz der Tracker ändert nicht wirklich etwas an der Selbstwahrnehmung“, erklärt Frederike Frank, Co-Kapitänin der B-Juniorinnen. „Die Sensoren sind einfach da und sie gehören zu unserem Sport dazu. Es ist für uns ganz alltäglich – ob bei den Spielen oder im Training.“

Eine Umfrage unter den Spielerinnen ergab, dass keine der 17 Befragten Bedenken bezüglich des Einsatzes und des Umgangs mit den Daten

hatten. Auf die Frage, ob sich die Spielerinnen durch die Tracker überwacht oder unter Druck gesetzt fühlten, antworteten jedoch zwei mit „ja, regelmäßig“, drei mit „nur anfangs“, die überwiegende Mehrheit von 12 Spielerinnen mit „nein, gar nicht“.

„Der Leistungsdruck ist durch die Sichtbarkeit der Laufleistung für einen persönlich schon höher geworden, aber Druck ist generell vorhanden, da wir unsere Saisonziele erreichen wollten“, gibt die 16-jährige Spielerin zu. „Als Mannschaft hat es uns weitergebracht, weil wir enger zusammengewachsen sind und jede für die andere läuft.“

Professionelles Instrument

Die Datenerhebung wurde von den B-Juniorinnen des 1.FFCK als professionelles Instrument im Sport wahrgenommen. Für Trainerin Fischer ist das Projekt „Trainieren mit digitaler Unterstützung“ ein absoluter Gewinn. „Die Spielerinnen haben die Tracker als ‚Super-Goodie‘ empfunden, da sie sehen, dass bei uns professionell gearbeitet wird und wir mit Hilfe von statistischen Daten auf sie achten“, so die 31-Jährige. „Die Mädels haben zudem den Anspruch, mit Daten zu arbeiten – auch digital.“

Neben der Datenerhebung durch die Tracker, werden Video-Aufnahmen und die Beobachtungen des Trainerstabs mit in die Spielanalyse einbezogen. Die Mischung der genannten Instrumente ergibt ein ganzheitliches Bild, mit dem ganz gezielt und individuell auf die Spielerinnen eingegangen werden kann.

Der Halbzeitpfiff ertönt. Ein komfortabler Vorsprung ohne Gegentore lässt die anfängliche Anspannung zwar abklingen, doch die Fokussierung auf den Sieg bleibt erhalten. Beim Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga zählt jeder Punkt und jedes Tor. Als die Lautrerinnen zur zweiten Halbzeit erneut aufs Feld gehen, halten sie den Druck auf die Gegenmannschaft konstant aufrecht, was mit weiteren Toren belohnt wird. Am Ende steht es 6:0 für die Heimmannschaft.

Das Projekt geht in die nächste Saison

„Trainieren mit digitaler Unterstützung“ soll auch in der kommenden Saison weitergehen. Die GPS-Tracker könnten dabei auch bei anderen Mannschaften und sogar bei anderen Sportarten eingesetzt werden.

„Die Datenerhebung gehört beim professionellen Fußball einfach dazu. Es war spannend zu sehen, dass es auch abseits der Bundesliga das Bedürfnis danach gibt, mit Hilfe von digitalen Werkzeugen zu arbeiten. Berührungsängste scheinen junge Leute dabei nicht zu haben“, betont Lennart Grabe. „Wir könnten uns vorstellen, die Tracker auch bei anderen Sportarten zu testen wie Feldhockey.“

Für die jungen Spielerinnen des 1. FFCK geht es ab nächster Saison in die Bundesliga – Saisonziel erreicht! Die Vorbereitungen auf die kommende Spielzeit laufen bereits – mit Hilfe der GPS-Tracker. Der Einsatz von Sensoren macht zwar noch keine Mannschaft besser, doch er kann dazu beitragen, individuell auf Spieler:innen einzugehen, um so das Training effizienter zu gestalten.

Doch Daten alleine machen keine gute Sportlerinnen oder Sportler aus. „Digitale Daten ändern nichts daran, wie wir unsere Mädels sehen“, erklärt Leonie Fischer. „Sie helfen dabei, das eine oder andere Fünkchen Leistung herauszukitzeln, aber an der Mentalität oder Persönlichkeit der Spielerinnen, ändert das nichts – und darauf kommt es an.“

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